Geschichte & Architektur der Wallonerkirche Magdeburg

Ein Blick in acht Jahrhunderte Glauben, Wandel und Wiederaufbau

Die Wallonerkirche gehört zu den geschichtsträchtigsten Orten Magdeburgs. Wer den stillen Kirchhof betritt oder den hohen Chor mit seinem klaren Licht erlebt, spürt sofort: Dieser Ort hat viel gesehen – und vieles überstanden. Ihre Geschichte reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück und ist eng verwoben mit religiösem Leben, Kriegszeiten, Zerstörung, Neuanfang und ökumenischem Miteinander.

Ursprünge im Mittelalter – die Augustiner und der junge Luther

Errichtet wurde die Kirche im Jahr 1285 als Bestandteil des Augustinerklosters. Die Baugestalt ist typisch für diese Zeit: schlichte, gotische Architektur, die Spiritualität nicht durch Prunk, sondern durch Raumwirkung erzeugt.

Martin Luther selbst, der als Augustinermönch zum Orden gehörte, besuchte 1516 das Kloster und predigte am 24. Juni 1524 hier – ein Moment, der die spätere Bedeutung der Kirche für die Reformationszeit unterstreicht.

Wie die Kirche zu ihrem Namen kam

Ihren heutigen Namen erhielt die Wallonerkirche erst 1694. Nachdem verfolgte Reformierte aus der Wallonie in Magdeburg Zuflucht gefunden hatten, öffnete die Klosterkirche ihnen Raum für Gottesdienste und ein geistliches Zuhause. Seitdem trägt sie den Namen „Wallonerkirche“ – ein Zeichen für menschliche Nächstenliebe und religiöse Toleranz.

Gotische Architektur – Schlichtheit und Höhe

Von außen wirkt die Wallonerkirche zurückhaltend, fast still. Der zierliche achteckige Turm, der um 1400 vollendet wurde, ist typisch für die Bettelorden – schlicht, funktional, unaufdringlich. Erst im Inneren entfaltet sich die wahre Stärke des Bauwerks: ein langgestrecktes, in die Höhe strebendes Langhaus und der lichtdurchflutete Hohe Chor, der Besucher seit Jahrhunderten beeindruckt.

Dort befindet sich auch einer der großen kunsthistorischen Schätze: der spätgotische Flügelaltar von 1488. Als Wendealtar gestaltet, erzählt er in seinen verschiedenen Ansichten die Dramaturgie des Kirchenjahres – ein kunstvolles Zeugnis mittelalterlicher Frömmigkeit.

Kunstwerke von besonderem Wert

Zu den bedeutenden Ausstattungsstücken zählt das Taufbecken aus dem Jahr 1430, gefertigt im „weichen Stil“. Die fein gearbeiteten Figuren – Maria und weitere unbekannte Gestalten – tragen das Becken mit anmutiger Leichtigkeit.

Auch die zahlreichen Grabplatten aus dem 18. Jahrhundert im Chor und Kreuzgang erzählen von Menschen, die hier über Generationen hinweg ihre geistliche Heimat fanden.

Die harfenspielende David-Figur an der Rückwand des Hohen Chors stammt aus dem barocken Orgelgehäuse der Magdeburger Ulrichskirche. Sie ist zugleich Erinnerung an die kulturelle Pracht vergangener Zeiten – und ein stilles Mahnmal für die Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg.

Zerstörung und Wiederaufbau – ein Haus aus Ruinen erhoben

Beim Bombenangriff am 16. Januar 1945 wurde die Wallonerkirche schwer getroffen – nur die Grundmauern blieben stehen. Viele zerstörte Kirchen Magdeburgs wurden später vollständig abgetragen.

Doch hier entschied man sich für den Neuanfang: 1966 wurde die Kirche im Rahmen der Aktion Sühnezeichen mit großem Engagement wieder aufgebaut. Das neu geschaffene Gemeindezentrum im Stil eines Kreuzgangs verbindet heute Räume der Altstadtgemeinde, der reformierten Gemeinde und der Superintendentur.

Ein stiller, gepflegter Garten im Innenhof lädt zum Innehalten ein – ein kleines Paradies inmitten der Stadt.

Ein Ort voller Bedeutung – heute und morgen

Heute ist die Wallonerkirche Teil der ökumenischen Höfe und ein lebendiges Zentrum des Glaubens in Magdeburg. Sie verbindet ihre lange Geschichte mit einem offenen Blick in die Zukunft. Ihr Raum bietet Platz für Gottesdienste, Musik, Begegnung und stille Momente.

Wer die Wallonerkirche besucht, begegnet nicht nur einem architektonischen Denkmal, sondern einem Ort, an dem sich Jahrhunderte von Glaube, Hoffnung und Menschlichkeit miteinander verweben.